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Die Moni

Es blinkt rot. Das tut es bald einmal, wenn in Schönbrunn stärker der Wind geht. Es ist der offizielle Hinweis der Parkwache darauf, dass nur die Hauptwege begangen werden sollen. Und die inoffizielle Aufforderung für alle Schönbrunner Läufer*innen, beflügelten Schrittes auf die von Touristen wenig begangenen Nebenwege abzubiegen. So geschehen an diesem Novembermorgen. Ich bin etwas später raus als sonst, was mich wurmt, weil ich die Zeit so gerne mag, wenn sich alle grüßen. Vor 8 Uhr grüßt man sich in Schönbrunn. Da fühlt man sich so, wie eigentlich überall in Österreich außer in Wien. Also im Wald oder am Berg halt, aber he - Schönbrunn ist auch irgendwie sowas wie die K&K angelegte Inkarnation eines Waldweges. Zumindest alles, was sich auf Höhe der Gloriette in den umliegenden Wäldern abspielt.


Es ist grau in grau. Klassischer Fall von Hochnebel gepaart mit Sturmböen. Die Zeit des Jahres, in der man sich durchaus schon in der Früh gegen die verstimmte Laune wehren muss. Sie ist im Prinzip eh immer mit dabei, aber unterbeschäftigt. Sie will spielen. Sie will "Mensch ärgere dich nicht“ spielen und gewinnt in einem fort. Manchmal will sie "Schere, Stein, Papier" spielen, aber darauf lass ich mich nicht ein.


Ich lauf rüber zum Tiroler Garten und weiter hinunter Richtung Hietzinger Tor und Schmetterlingshaus. Es läuft, ich lauf, es passt. Auf der Ebene Richtung Schloss muss ich an irgendwas denken. Ich versuche sofort wieder damit aufzuhören, weil es meistens irrsinnig tolle Dinge sind, die ich mir ausdenke und die ich dann unmittelbar umsetzen will, wenn ich zu Hause bin. Ich denk und lauf mich da in eine Manie rein, das glaubt man kaum. In letzter Zeit versuch ich mich davon schon während dem Laufen und Denken runter zu bringen, weil meistens sind die Sachen dann so groß und ich schon so nahe am Nobelpreis, wenn ich zu Hause ankomme, dass ich - logisch - in den darauffolgenden Stunden tief falle.


Auf der Höhe vom Schloss erschrecke ich. Mist, eine Begegnung kommt auf mich zu. Unumgänglich. Ich hab sie gesehen. Sie hat mich gesehen. Aus der Nummer kommen wir nicht raus. Die Bäume, hinter denen man sich verstecken könnte, fehlen hier. Exponierter als um 8:30 Uhr vor dem Schloss Schönbrunn geht es kaum.


„Hey Moni“, gebe ich mich übertrieben locker und wahnsinnig freundlich. Diese höfliche Form der Begegnung ist tief eingetrümmert in meine Persona. Glaub ich zumindest. „Wie man in den Wald hineinruft“. Das ist quasi ein Kinderlied, mit dem ich aufgewachsen bin. Ich kann auch sehr ungut rüberkommen. Das ist mir klar bzw. klar geworden. Find ich nicht super, find ich unangebracht, aber wenn ich mich hängen lass, und das kommt vor allem im Kreise der Familie meiner Frau vor, dann bin ich mäßig charmant. Ich fühl mich dort sehr wohl und geradezu eingeladen mich hängen zu lassen. Aber das bringt eben nicht immer das Beste von mir hervor. Ein Glück, dass sie gnädig sind.


Anyways. Die Moni. Kannst nix machen.


"Grüße dich“ kommt von der Moni. Herrschaftszeiten, Lucia, das hättest du auch bringen können. „Grüße dich“, „Servus“… - das hättest du jetzt droppen können. „Hey“ war schwach. Wurscht, zu spät. Nächster Ballwechsel.


„Ich hab gedacht, ich dreh noch eine Runde vor der Sitzung. Heute wird’s besonders spannend. Heute ist ja die Stadträtin dabei.“

„Natürlich. Meine Frau hat schon davon erzählt.“

Hat sie nicht. Tut sie nicht. Ich versuch’s ihr aus der Nase zu ziehen. Das ist harte Arbeit und dann, wenn sie endlich etwas erzählt, schaff ich es mit der Aufmerksamkeit nicht mehr. Dann schau ich sie an und versuch es, aber ich hör im Prinzip nicht zu. Ich denk mir Dinge aus. Nobelpreis. Sie verstehen.

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